Ich habe Epilepsie, was denken bloß die Mitarbeiter?

 

Ja was denken sie?

Der passt nicht ins Konzept,

den müssen wir ja nur mit durchfüttern,

der ist ja nur faul. …..


Das kann‘s ja nicht wirklich sein. Ich habe Epilepsie ok. , aber ich bin noch lange nicht berufs- und gesellschaftsunfähig!       

Gott sei Dank denken nicht alle Menschen so. Denn langsam bekommt auch die Öffentlichkeit durch Aufklärungsarbeit bei Fernsehen, Presse und Informationsabenden ein besseres Bild von unserer Krankheit. Dadurch werden Vorurteile abgebaut…..das ist unsere Hoffnung.

Aber wie sieht es in unserem Gesellschafts- und Arbeitssystem aus? Hier wird ein funktionierender Mensch gebraucht (klingt nach Roboter), ist das denn überhaupt noch realistisch?? Der Traum vom perfekten Menschen IST EIN TRAUM! Krankheit gab‘s auch schon immer.

Warum werden Kranke (egal welche Art von Krankheit nun vorliegt) einfach ausgesiebt? Arbeitende Menschen sollen belastbar sein, das ist alles in Ordnung. Wenn aber bestimmte Grenzen der Belastbarkeit überschritten werden, dann wird auch der gesündeste Mensch krank! Und das allerschlimmste dabei ist, das sich hier die sogenannten Kollegen gegeneinander ausspielen (mobben). Und das geschieht nur, um den eigenen Arbeitsplatz zu retten. Eine böse Situation, erbarmungslos und kalt werden hier Menschen aussortiert. Sie sind hochqualifiziert, aber sie wurden durch den unmenschlichen Arbeitsdruck krank.  

Es wurde eine Ellenbogengesellschaft gezielt von den Arbeitgebern aufgebaut. Die Zauberwörter heißen: 

Gewinn,

Rentabilität 

und der Kosten-Nutzen Faktor.

 

Und nun sollen auch Epilepsiekranke eine Arbeitsstelle unter diesen Umständen ausfüllen. Das ist ein Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt ist … von Anfang an…, denn Epileptiker können nun mal nicht überbelastet werden. Ist es denn so schlimm, einen Epileptiker nach gesetzlichem Tarif arbeiten zu lassen? Denn viele Epileptiker haben eine ausgezeichnete Schul- und Berufsausbildung, denn sie sind Fachkräfte in ihrem Gebiet. Man sollte glauben, dass bei dem derzeitigen Fachkräftemangel dies leicht möglich sei. Aber leider ist das Gegenteil der Fall, denn durch Unkenntnis und Vorurteilen wird hier diese große Chance von den Arbeitgebern nicht wahrgenommen. Und das nur, weil wir nicht mehr als 7-8 Std. am Tag arbeiten können und auch sollen. Auch Schicht- oder Nachtarbeit sollten wir nicht machen, damit unser Gesundheitszustand stabil bleibt.                    

Oder ist Profitgier und Habsucht bei uns allen eingekehrt, das wäre sehr traurig, denn die Menschlichkeit geht hier verloren. Und das ist für uns alle ein Armutszeugnis. Es mag durchaus sein, dass manche Firma um die eigene Existenz bangt. Gerade bei kleineren Firmen ist das auch durchaus verständlich. Aber viele Firmen zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe, als einen Schwerbehinderten einzustellen. Dadurch fließt das Geld in eine ganz falsche Richtung und der chronisch Kranke muss sehen wo er bleibt.

Es muss aber nicht unbedingt so sein denn ich habe mit meiner Epilepsie 45 Jahre lang arbeiten können. Hier spreche ich aus eigener Erfahrung, ich war zwar durch die Antiepileptika nahezu anfallsfrei, bekam aber mit meinen inneren Organen große Probleme und konnte meine gewohnte Arbeit nach und nach nicht mehr leisten. Die Folge war eine fristlose Kündigung. So wird in der freien Wirtschaft gehandelt, ein Mensch wird nur nach Produktivität eingeschätzt. Und da ist eine Grenze erreicht, die unmenschlich ist.                                                                            

Aber man darf auch nicht verschweigen, dass der Epilepsiekranke oft selbst dazu beiträgt wenn solche Zustände herrschen. Denn er verschweigt oftmals seine Erkrankung nur deshalb, weil er seine Arbeitsstelle behalten will. Das ist menschlich verständlich, aber es ist ein Teufelskreis….. !

Man muss an sich glauben, jeder, Kranke und Gesunde, haben besondere Fähigkeiten. Man muss diese Fähigkeiten aber auch suchen und nicht in Verzagtheit versinken. Dann denken auch die Arbeitskollegen nicht mehr so negativ über uns, sie müssen aber wissen warum wir körperlich nicht mit ihnen mithalten können.                                                              

Die Öffentlichkeit sollte zu dieser ganzen Misere aufgeklärt werden. Sie soll ruhig wissen, dass wir für unsere Krankheit nichts können. Sie sollen auch wissen, dass ein Anfall meistens schnell vorbei ist. Und sie müssen wissen, dass wir nach kurzer Zeit wieder recht normal weitermachen können. Wenn sich das alles in der Öffentlichkeit herumspricht, haben wir sehr viel erreicht. Die Leute bekommen keine Angst mehr und haben demnach auch keine Vorurteile mehr. Meist sind sie ruhiger, freundlicher und auch erleichtert dies nun zu wissen. Der Umgang wir besser, das weiß ich aus eigener Erfahrung! 

  Dies alles ist möglich, man muss nur aufeinander zugehen!  

Wir haben gerade bei der Epilepsiebehandlung richtig gute Fortschritte gemacht, das hätte man sich vor 20 Jahren nicht zu träumen gewagt. Deshalb braucht uns vor der Zukunft nicht bange sein, denn die Entwicklung der Antiepileptika und der Medizin geht immer weiter……

Einen guten verständnisvollen Epileptologen, der auch das Kreuz "aut-idem" im Rezept nicht vergisst und einen vertraulich behandelt,

wünscht Euch allen

Dieter Schmidt

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Simone (Montag, 28 Oktober 2013 18:41)

    Hallo Dieter,
    mal wieder ein sehr interessantes Thema. Mich betrifft es auch quasi das ich noch berufstätig bin.

    Was denken andere? Na ja eigentllich ist es mir egal, was andere über mich denken.

    Nur was ich nicht mag, wenn hinter meinen Rücken über so ein Thema gesprochen wird und belächtet wird.....und man mich beimitleiden will. Das kann ich überhaupt nicht leiden.Wer war wissen möchte, kann mich ansprechen.

    ICH BIN ICH und ich bleibe auch ich!

    Auch habe ich ein gutes Patienten-Arzt-Netz, so dass ich mir über meine Medikamente mal keine Sorgen machen muss, auch um meine Originalpräparate. Ich kenne da Storys da müssen manche, egal ob Epilepsie od. nicht, betteln um dieses X zu bekommen.

    Nun habe ich aber mein Rezept. finde da mal eine "verständnisvolle" Apotheke od. wie schnell manche in der Schlange weiter von dir rücken?
    Habe ich denn die "Seuche" denke ich dann immer.

    Klaro Epilepsie ist eine Krankheit habe ich mir aber diese ausgesucht? Hat man sich Diabetes od. schlimmer noch Krebs ausgesucht?

    Warum wird dann immer noch über die Epilepsie so viel Quatsch erzählt?
    Warum stellt man ungern Leute mit Epilepsie ein?
    Statistisch sind wir aber nicht öfters krank, als andere.

    Daher hilft nur öffentlich, mit Selbstbewußtsein auf andere zu gehen..., ansonsten bleibt immer noch die Epilepsie behaftet mit Ammenmärchen!.

    Daher ziehe ich weiterhin den Hut und danke allen Epilepsie-Botschafter, Selbsthilfegruppen für ihre Arbeit.
    Aber alleine schaffen sie es nicht, wenn nicht noch mehr Leute die an Epilepsie erkrankt sind selbstverständlich auf andere zugehen. Freundeskreis, Bekanntenkreis etc. aufklären, dass Epilepsie keine "Schreckenskrankheit, was ansteckendes" ist. Sondern halt einfach eine "Epilepsie", Erkrankte nicht dumm, behindernd oder was weiß ich alles, sind. Sondern einfach Menschen wie DU und ICH.

    Also dann

    Eure Simone



  • #2

    Dieter (Dienstag, 29 Oktober 2013 20:14)

    Genauso oder so ähnlich erfahre ich es auch fast täglich. Die zaghaften/ängstlichen Epileptiker haben da aber mehr Probleme und genau die möchte ich erreichen und aufmuntern. Hier muß Selbsthilfe ansetzen, aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Denn gerade die outen sich nicht, daher haben wir hier keine Chance. Aber wir geben nicht auf (daumenhoch)