Wie kommt ein Epileptiker in den Vorruhestand oder Ruhestand? Und wie kommt er damit zurecht?
Viele von uns, gerade chronisch Kranke müssen um ihren Arbeitsplatz viel mehr kämpfen, als sogenannte gesunde Arbeitnehmer. Sie werden oft als vermindert arbeitsfähig eingestuft und haben logischerweise auch weniger Chancen einen passenden Arbeitsplatz zu bekommen. Meist ist das ein befristeter Arbeitsplatz, der sehr selten verlängert wird. Dann wäre der nächste Schritt die Frühberentung. Nur ein kleiner Prozentsatz der Epileptiker kann bis zur normalen Rente arbeiten. Auch der Zeitpunkt der Berentung, sei es, ob man nicht mehr arbeiten konnte oder entlassen wurde und in welcher gesundheitlichen Verfassung man sich befindet, spielt eine Rolle. Hier muss man auf die psychischen und sozialen Umstände eines Jeden achten, wenn man in einen völlig neuen Lebensabschnitt kommt. Denn es kann sich unser Leben natürlich ganz stark nach der Berentung verändern.
Es ist aber ziemlich egal, wie lang man gearbeitet hat. Nicht egal ist es wie man sein Leben danach gestaltet. Da sollte eine rechtzeitige Planung vorher stattfinden, denn es beginnt ein völlig neuer Ablauf des Lebens. Und der kann durchaus positiv verlaufen.
Viele Epileptiker sind schon vor der normalen Zeit berentet. Meist wird ein befristeter Arbeitsplatz nicht verlängert, aber auch Epileptiker möchten nicht als Menschen 2. Klasse gelten. Sie haben oft weniger Rente und daher nicht die Möglichkeiten, sorglos in die Zukunft zu blicken. Der Ruhestand mag zwar gut sein und ist auch für jeden von uns eine körperliche und auch seelische Entlastung. Aber hier können tückische Fallen in den verschiedenen Lebensphasen entstehen.
Wie fülle ich diese neu entstandene Zeit vernünftig aus, um nicht in ein Loch zu fallen, oder ins grübeln zu kommen? Hier möchte ich einige positive Beispiele nennen.
Der Ruhestand muss nicht unbedingt bedeuten, dass man nie mehr an den Computer sitzen oder eine Arbeit verrichten kann. Was Spaß macht, kann man ja ruhig weitermachen. Man sollte sich vorher klarmachen, was man gerne machen will.
Möchte ich bestimmte Tätigkeiten, die mir Spaß machen, in irgendeiner Form weiterführen? Wie kann ich sinnvoll mein Leben neu gestalten? In welcher Organisation könnte ich meine Fähigkeiten und mein Wissen einsetzen? Bezahlt oder ehrenamtlich? Ehrenamtlich kann man beispielsweise im Sportverein, bei den Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden arbeiten. Krankenbesuche machen oder ältere Menschen betreuen. Auch die Stadt oder Gemeinde hat ehrenamtliche Aufgaben zu vergeben. Auch im Internet wird Ehrenamtsarbeit angeboten. Man kann auch Urlaubsvertretung machen oder als Springer in Teilzeit arbeiten?
Man ist nun nicht mehr auf das Auto angewiesen (wenn man Autofahren durfte), sondern kann nach eigenen Wünschen und Fähigkeiten seine Zeit gestalten. Das ist bei einem Ehrenamt nie ein Problem. Hier wird man mit Kusshand angenommen und kann nicht entlassen werden! Auch Wandern und Fahrrad fahren ist nun angesagt, natürlich muss jeder seine Möglichkeiten realistisch einschätzen. Denn „einrosten“ sollte man trotzdem nicht.
Der neue Lebensabschnitt hat auch seine schönen Seiten:
Endlich müssen wir keinen Wecker mehr stellen, sondern können unseren Tagesablauf selbst bestimmen. Möchte ich z.B. immer zu einer bestimmten Zeit aufstehen, morgens nach dem Aufstehen regelmäßig Gymnastik machen, ausführlich die Zeitung lesen, usw. Zu welchen Zeiten möchte ich essen, fernsehen und wann schlafen gehen? Tut es mir gut, wenn ich mir bestimmte Ziele setze und sie erfülle? Zum Beispiel die Nordic-Walkingstöcke (statt das Auto) benutzen! Wie viel Bewegung oder Sport möchte ich in meinen Alltag einbauen? Möchte ich meine Ernährung umstellen? Ein schönes Buch lesen? Mensch ärgere dich nicht oder Kniffel spielen? Es gibt sehr viele Möglichkeiten, um sich wohl zu fühlen!
Rituale sind für die meisten Menschen hilfreich.Welche Kontakte zu Freunden will ich wieder beleben oder intensivieren? Wo kann ich neue Kontakte knüpfen?
Neben Aktivitäten und Aufgaben, die uns erfüllen, gehört der Kontakt zu anderen Menschen, Zugehörigkeit zu einer Gruppe und gemeinsamen Spaß zu den Faktoren, die uns dabei helfen, uns im Ruhestand wohlfühlen zu können. Kursiv: Auszüge von Dr. Doris Wolf
Aber zu diesen Schritten gehört auch ein gewisses Maß an Überwindung und Mut. Denn ich weiß von vielen negativen Beispielen:
Allzu leicht lässt man sich hängen, hadert, zweifelt, kapselt sich ab oder flüchtet in eine virtuelle Welt.
Das ist nicht der positive Weg!!
Das kann dann auch zu Depressionen führen. Hier können Selbsthilfegruppen eine große Hilfe sein, denn da ist man unter „Leidensgenossen“ die mehr oder weniger das gleiche Schicksal haben. Gedankenaustausch kann hier sehr hilfreich sein, denn hier bekommt man mit, dass es den Anderen ähnlich geht!!
Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass wir erkrankt sind und deshalb nicht mehr 100% arbeiten können. Und vergisst bitte nie, dass Ihr für Eure Epilepsie nichts könnt.
Es gibt so viele Möglichkeiten sein Leben umzukrempeln und neu zu gestalten. Denn jeder hat Fähigkeiten die in ihm schlummern, aber „ausgraben und finden“ muss man sie selbst. Der Zweite Lebensabschnitt kann so schön sein…..
Ich wünsche Euch viel Kraft und Erfolg für neue, schöne Wege.
Dieter Schmidt
Alle Fotos von www.epilepsie-reutlingen.jimdo.com
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